Schmerzen und Gips

Der heutige Tag war für uns ein sehr unangenehmer und aufreibender Tag. Gestern am Abend ist Viktoria von der Plattform des Flying Fox einen Meter hinunter gefallen. Sie hatte zwar gejammert und sich über Schmerzen in der Hand beklagt, da die Schmerzen aber laut Viktoria nicht so groß waren, dachten wir es wäre eine Prellung begleitet von einem Schock. Sie ging dann auch gleich zu Bett, hatte keinen Hunger und fröstelte.
Die Nacht verlief einigermassen ruhig, nur in der Früh klagte sie über Schmerzen. Als wir uns den Arm ansahen war er am Oberarm und am Ellbogen stark geschwollen.
Ich bin dann sofort zum Rezeptionisten gelaufen und habe ihn gefragt, wo das nächste Spital ist. Gott sei Dank war der nächste Spital nicht in Oradea (140 km entfernt), sondern in Cluj Napoca in der nächsten großen Stadt (ca. 20 km). Sie hatten dort sogar eine Kinderklinik. Nach dem Frühstück fuhren wir dann nach Cluj Napoca und nach einigem Suchen fanden wir auch das Spital. Die Häuser sahen überhaupt nicht nach Klinik, sondern nach Wohnhäusern aus und wir fuhren mindestens dreimal daran vorbei. Hinter dem Klinikgelände war auch ein kleiner Park mit See, wo sich sicher 10 Brautpaare zum Fototermin tummelten. Darum hatten wir keine Chance auch nur in der Nähe einen Parkplatz zu finden. Denn sobald ein Auto ausparkte, standen auch schon wieder zwei Anzugtypen mit roter Rose im Knopfloch in der Lücke, um sie zu reservieren. So fuhren wir bei der Rettungszufahrt rein und stellten uns auf den nächstbesten Parkplatz. Gott sei Dank ist rumänisch wirklich dem italienischen etwas ähnlich und ich fand den ambulanten Patientenzugang und wir stiefelten nicht durch den Rettungswageneingang. Das Wartezimmer hatte ungefähr die Größe unseres Vorzimmers und wir waren zu 10. die auf einen Arzt warteten. In diesem kleinen Zimmer warteten also Durchfallerkrankungen, Brüche und Kontrollbesucher. Ziemlich nervenaufreibend, ich traute mich gar nicht zu atmen und den Kindern hätte ich es auch am Liebsten verboten. Nach einiger Zeit schaute die Krankeschwester rein und als sie merkte, dass wir kein rumänisch sprachen, wurde sie ziemlich unfreundlich. Aber trotzdem schafften Viktoria und ich es in die Erstaufnahme zu einem deutschsprachigen Arzt, der sehr nett war. Die Erstaufnahme war eingerichtet wie in den amerikanischen Serien. Sehr viel Vorhänge und Rollbetten. Wie man das halt so kennt. Nach dem deutschsprachigen Arzt kam dann ein englischsprachiger Arzt mit einem Piraten – OP – Hemd, der Viktoria nochmals untersuchte. Viktoria flüsterte mir zu, ob der Pirat nun ihr Geld wolle … ich konnte sie beruhigen, weil die wahrscheinlich nur mein Geld nehmen würden. Hin und wieder kamen auch Krankenschwestern und Pfleger vorbei, die aber nachdem ich meinen gut eingeübten rumänischen Satz ” Ich spreche kein Rumänisch, sprechen Sie Deutsch oder Englisch” wieder schnell das Weite suchten. Ein Pfleger blieb dann bei uns, denn nach meinem tollen rumänischen Satz fanden wir heraus, dass er Spanisch sprach. Er fragte dann Viktoria nach ihrem Namen und stellte sich dann als Viktor vor. Wir fanden, dass total nett und Viktor und Viktoria gingen dann unter einem gemeinsamen Regenschirm ums Haus herum zum Röntgen. Ich wieselte hinterher. Das Röntgenzimmer war dann schon ein bißchen älter, aber es funktionierte alles. Obwohl ich mir gedacht hatte, dass kein Kind das toll finden würde, sprang Viktoria voll auf die Comicbilder an, die halb an der Wand hingen und halb schon am Abfallen waren. Die Farben konnte man auch kaum mehr ausmachen und ich dachte mir es wäre freundlicher wenn sie die Bilder abnehmen würden. So kann man sich täuschen. Die junge Ärztin war sehr nett zu uns und die Konversation wechselte wieder in Englische. Viktoria war sehr tapfer und blieb allein im Röntgenraum und obwohl sie kein Wort verstand, machte sie alles brav mit, was die rumänisch sprechende Röntgenassistentin so vormachte. Sie war so toll!!! Die tapfere Mama mußte vor der Türe ausharren und schlich sich hin und wieder kurz ins Röntgenkammerl, wo man durch das Fenster zum Röntgengerät schauen konnte. Die Bilder ergaben, dass Viktoria einen Bruch über dem Ellbogen hat und wir mussten 2 Türen weiter zum Gipszimmer gehen. Der dortige “Gipsologe” ließ nach meinem Sprüchen erkennen, dass er Italienisch kann und so mühten wir uns mehr schlecht als recht mit Italienisch und viel Gebärdensprachen ab. Das Gipszimmer war die Katastrophe. Viktoria musste sich auf ein Metallgestell mit Holzbrett legen. Das Brett war schon mit einem Leintuch abgedeckt, aber es hatte sowohl bessere Tage und auch viele Patienten gesehen. Das “Bett” konnte man mit einer Kurbel rauf und runter drehen. Total praktisch, weil man nicht auf Strom angewiesen ist. Auf einem Kasten lief ein Fernseher, an der Wand war eine Waschrinne mit den Gipsbinden. Viele Rollen wurden in dieser Rinne gestapelt und mit einem Holzbrett fixiert, damit sie nicht runter rollen konnten. Das Holzbrett erinnerte mich stark von der Farbe und vom Glanz an Mamas Speckbretter. An der Decke war eine Eisenstange montiert wo ein Fleischerhacken und noch so ein Folterinstrument hingen. Alles in allem ein Gruselkabinett. Viktoria nahm es gelassen und ich versuchte einfach nicht allzu genau hinzusehen. Trotz allem muss ich sagen, dass die meisten Mitarbeiter aber ausgesprochen freundlich und hilfsbereit waren. Die junge Ärztin entließ uns dann und wir müssen nächste Woche zur Kontrolle in Brasov ins Kinderspital. Sie gab mir auch noch Ihre Email Adresse, damit wir sie kontaktieren können, falls wir die Röntgenbilder brauchen. Die Originale durfte sie uns nicht mitgeben. Nach zwei Stunden waren wir dann endlich fertig und wir fuhren zur Belohnung zum Mc Donalds.
Danach ging es wieder in eines dieser hypermodernen Einkaufszentren, die unsere um Längen schlugen. Durch den ganzen Komplex zog sich ein Fluss mit riesigem Springbrunnen. Einfach beeindruckend! Viktoria bekam einen Schal der die Mullbinde, die sie als Schlinge trug, ersetzte. Dann durften sie noch mit E-Autos durch die Gegend glühen und während Martin noch bei C&A shoppte rundeten wir den Aufenthalt noch mit einem Eis ab.
Viktoria hat noch immer Schmerzen und ist auch sehr schnell erschöpft. Sie ist zwar sehr enttäuscht, dass sie nicht mit den anderen Kindern spielen kann und dass sie auch nicht ins Wasser darf, aber sie versteht und akzeptiert es. Sie ist wirklich sehr tapfer und brav!

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Viktoria heute morgen

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Das Kinderspital

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Endlich geschafft!

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Beim Mc Donalds

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Niki und Nikolette Lauda-Sudi

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Der Ort des Geschehens

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